Relevanzelite
Herkömmlich wird eine Elite oft als jene Gruppe verstanden, die sich durch wirtschaftlichen Erfolg, wissenschaftliche Leistungen oder politische Macht an die Spitze einer Gesellschaft oder eines politischen Gebildes setzt und von dort aus maßgeblichen Einfluss ausübt. Macht und sichtbare Gestaltungskraft erscheinen hier als zentrale Merkmale elitären Status. Doch vielleicht greift diese Vorstellung zu kurz.
Es ließe sich auch daran denken, dass eine andere Art von Elite existiert – eine, die sich weniger durch formale Machtpositionen, sondern vielmehr durch ein besonderes Bewusstsein für die prägenden Entwicklungen einer Zeit auszeichnet. Diese mögliche „Relevanz-Elite“ erkennt frühzeitig jene Erkenntnisse und Strukturen, die für die zukünftige Ausrichtung der Gesellschaft von Bedeutung sind. Ihre Rolle bestünde nicht vorrangig im Ausüben von Macht, sondern in einem tieferen Verstehen dessen, was für viele andere zunächst nur vage spürbar ist.
Eine solche Elite nähme Einfluss, ohne notwendigerweise über klassische Machtmittel zu verfügen. Ihre Relevanz läge darin, Impulse zu setzen, Denkweisen zu eröffnen und Entwicklungen anzudeuten, die das gesellschaftliche Bewusstsein erst allmählich erfassen wird.
In der frühen Moderne glaubte man, eine Elite müsse sich ihre Stellung in der Gesellschaft verdienen – durch Leistung, durch Bildung, durch bürgerlichen Eigensinn. Der Gedanke der Relevanzelite knüpft daran an: Ihre Bedeutung gründet sich nicht auf bloße Position, sondern auf erworbene geistige Wirksamkeit. Sie hat sich nicht nur ihre gesellschaftliche Rolle, sondern die Legitimität ihrer Wirkung selbst erarbeitet – durch ein frühes, klares Erfassen dessen, was für viele erst später sichtbar wird.
In einer Zeit, in der ständig von wachsender Komplexität die Rede ist, könnte diese stillere, weniger sichtbare Form von Führung mindestens ebenso bedeutsam sein wie die traditionelle Machtelite. Vielleicht ist es gerade die Sensibilität für noch Unausgesprochenes und die Fähigkeit zum frühen Erfassen künftiger Notwendigkeiten, die in einer solchen Relevanz-Elite ihren Ausdruck findet.